- Wein: Wein und Gesundheit
- Wein: Wein und GesundheitNoch bis ins Mittelalter hinein stellten Wein und anderes alkoholisches Gebräu die einzige genießbare Alternative zu dem meist hochgradig verkeimten Trinkwasser dar. Dass auch der damalige Wein besser schmeckte als Wasser und eine beschwingende Wirkung besaß, vergrößerte seine Popularität umso mehr.Wein erfreut sich heute bei Kennern und Genießern als guter Schluck zu einem schmackhaften Essen großer Beliebtheit. Mit einem Glas Wein wird Freundschaft geschlossen und auf festliche Anlässe angestoßen. Doch es gehen immer wieder Meldungen durch die Medien, die einem den Genuss verleiden können. So wird oft auf drohende Gesundheitsgefahren durch Alkohol und andere Weininhaltsstoffe hingewiesen. Andererseits werden die Weinprotagonisten nicht müde, die gesundheitsfördernden Wirkungen von Wein hervorzukehren. Wem soll man nun glauben?Alkohol: Risiko und NutzenFür die gesundheitlichen Wirkungen von Alkohol gilt im Wesentlichen, was schon Paracelsus erkannt hatte: Die Dosis macht die Giftwirkung aus. In geringen Mengen genossen, besitzt Alkohol erwiesenermaßen gesundheitliche Vorteile, denn er wirkt gefäßerweiternd, durchblutungsfördernd, blutdrucksenkend und günstig auf die Zusammensetzung der Blutfette, den Cholesterinspiegel und die Blutgerinnung.Dadurch wird die Entwicklung der Arterienverkalkung gebremst und die Gefahr eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls verringert. Auch eine antioxidative Wirkung kommt dem Alkohol zu: Er ist in der Lage, aggressive, oxidierend wirkende Substanzen (Radikale) unschädlich zu machen. Es gibt aber auch warnende Stimmen von Wissenschaftlern, die festgestellt haben, dass bereits mäßiger Alkoholkonsum das Krebsrisiko erhöht.Nicht unerwähnt bleiben sollte die Tatsache, dass im Verdauungstrakt des menschlichen Körpers durch Gärungsvorgänge Alkohol entsteht, der jeglichen physiologischen Alkoholbedarf bereits vollends deckt.Dass Alkohol in großen Mengen akute Gesundheitsbeeinträchtigungen verursachen kann, zeigt sich gewöhnlich im »Katzenjammer« oder »Kater« am nächsten Morgen. Die Giftwirkung ist allerdings weniger auf den Alkohol selbst, sondern auf ein metabolisches Abbauprodukt des Alkohols, das Acetaldehyd, zurückzuführen.Alkohol, genauer Äthanol (Äthylalkohol) wird in der Leber mithilfe des Enzyms Alkoholdehydrogenase zu Acetaldehyd (Äthanal) umgesetzt. Die Umsatzgeschwindigkeit beträgt bei Männern etwa 0,1 g Äthanol pro kg Körpergewicht und Stunde, bei Frauen geht diese Umsetzung mit 0,085 g/(kg — h) etwas langsamer vor sich. Die anschließende Oxidation des Acetaldehyds zu Essigsäure (Enzym: Aldehyddehydrogenase, ebenfalls in der Leber) braucht noch länger, sodass sich Acetaldehyd ansammelt und für die bekannte Katerstimmung sorgt. Die Essigsäure wird schließlich zu Kohlendioxid und Wasser abgebaut. Jeder einzelne Oxidationsschritt läuft unter Energiefreisetzung ab.(Diese Gleichungen geben nur die Bruttoreaktion wieder. Der eigentliche biochemische Ablauf ist komplizierter, aber in diesem Zusammenhang ohne Belang.)Starker Alkoholkonsum erhöht den Blutdruck und belastet die Leber. Bei langjährigem Alkoholmissbrauch kann es zu Erkrankungen dieses Organs kommen (Fettleber), im schlimmsten Fall zur Leberzirrhose, bei der das Lebergewebe allmählich abstirbt. Frauen haben — bei gleicher aufgenommener Alkoholmenge — ein wesentlich höheres Risiko, an einer Leberzirrhose zu erkranken, als Männer.Hoher Alkoholkonsum führt allerdings nicht zwangsläufig zu Leberschäden. So entwickeln beispielsweise nicht alle Alkoholiker eine Leberzirrhose, sondern nur etwa 8 bis 20 %. Diese Beobachtung legt die Vermutung nahe, dass manche Menschen eine erbliche Veranlagung für alkoholbedingte Lebererkrankungen haben und dass es noch weitere Risikofaktoren für die Entstehung dieser Erkrankungen gibt (z. B. Virusinfektionen).Wo die Grenze zwischen moderatem Alkoholkonsum und Alkoholmissbrauch liegt, lässt sich nicht pauschal beantworten, da es ausgeprägte individuelle Unterschiede gibt, aber als Richtschnur kann für Männer eine maximale Alkoholaufnahme von ca. 30 bis 40 Gramm reinem Alkohol pro Tag gelten. Das entspricht etwa einem Viertel bis einem halben Liter Wein oder ungefähr einem Liter Bier. Für Frauen ist hier maximal die Hälfte anzunehmen. Schwangere Frauen oder stillende Mütter hingegen sollten überhaupt keinen Alkohol zu sich nehmen.Eine maßgebende Rolle spielen auch Trinkgewohnheiten. Wer beispielsweise einmal pro Woche eine große Menge Alkohol trinkt, muss damit rechnen, seiner Gesundheit zu schaden. Verteilt sich der Konsum der gleichen Menge jedoch auf viele Tage, so kann aus der Belastung der Gesundheit sogar eine Förderung werden. Beim Konsum von Alkohol kommt auch dem Gehalt des Getränkes große Bedeutung zu. Hier gilt: je hochprozentiger, desto schlechter für die Gesundheit.Die Grenze zwischen normalem Alkoholkonsum und Missbrauch überschreitet leicht, wer den Alkohol beziehungsweise seine berauschende Wirkung als Mittel benutzt, um Ängste, Sorgen und Stress zu vergessen oder Einsamkeit, Konflikten und Problemen zu entkommen. Ein solches Trinkverhalten kann leicht in einer Sucht enden. Wer sich in einer schwierigen Lebenssituation befindet, sollte daher besonders achtsam mit alkoholischen Getränken umgehen. Dies gilt auch für Menschen, deren Familienangehörige unter Alkoholismus leiden. Wissenschaftliche Befunde lassen vermuten, dass es eine erbliche Veranlagung für diese Erkrankung gibt. Ungefähr ein Drittel aller Alkoholkranken ist erblich vorbelastet, das heißt zumindest ein Elternteil ist alkoholkrank.Abschließend noch ein Hinweis auf den beträchtlichen Brennwert von Alkohol: Ein Gramm liefert 30 Kilojoule (kJ) beziehungsweise 7,1 kcal. Das ist ein fast doppelt so hoher Brennwert wie bei Zucker (17 kJ/g). Nur Fett liegt mit 39 kJ/g noch darüber.Aromatisch und gesund: Zu schön, um wahr zu sein?Keineswegs. Die neuzeitliche Medizin hat festgestellt, dass es in Weinen Inhaltsstoffe gibt, die nicht nur für besonderen Gaumenkitzel sorgen, sondern auch Herz und Kreislauf schonen. Bei diesen Stoffen handelt es sich vor allem um mehrwertige Phenole, unter denen die Tannine eine Sonderstellung einnehmen. Phenole sind in allen Rotweinen, aber nur in verschwindend geringen Mengen in Weißwein enthalten, Tannine sogar nur in ganz speziellen Rotweinen, den Barrique-Rotweinen.Die Phenole wirken quasi als blutverdünnende »Rostschutzmittel«. Sie hemmen die Oxidation von im Blut enthaltenen Zwischenprodukten des Fettstoffwechsels, den Lipoproteinen. Dadurch bremsen sie die Arterienverkalkung und sorgen für bleibende Gefäßelastizität. Phenole fallen im Wein allerdings bedingt durch oxidative Prozesse im Laufe der Lagerung allmählich aus, das heißt alte Weine enthalten davon weniger.Bei besonders empfindlichen Menschen können Phenole Migräne auslösen. Diese sollten jungen Rotwein daher meiden.Die Tannine bewirken eine Erweiterung der Koronarien (Herzkranzgefäße), wodurch die Durchblutung des Herzmuskels gefördert wird.Barrique ist das französische Wort für Fass, und mit Barrique-Ausbau ist die Reifung des Weins speziell in Eichenholzfässern gemeint. Klassisch werden dabei relativ kleine, rundliche Fässer aus rohem Eichenholz verwendet. Der Wein nimmt aus dem Holz Aroma- und Farbstoffe auf, bei denen es sich vor allem um Tannine handelt.Die Reifungsdauer beträgt meist drei bis fünf Jahre. In der Regel verwendet man den Barrique-Ausbau für Rotwein. Eine preisgünstigere Variante des Barrique-Ausbaus besteht darin, den Wein in Kunststoff- oder Edelstahlfässern zu lagern, in die sich Eichenholztafeln einsetzen lassen.»Rostschutz« mit PhenolenIm Wein sind mehrwertige Phenole enthalten; das sind vom Benzol oder ähnlichen, aromatischen Grundkörpern abgeleitete Verbindungen, die mindestens zwei Hydroxyl- oder OH-Gruppen tragen. Es handelt sich hier im Wesentlichen um drei Naturstoffe beziehungsweise Naturstoffklassen:Rutinose ist ein Zuckermolekül, das an eine der phenolischen Hydroxylgruppen des Quercetins gebunden ist, woraus sich das Rutin ergibt.Der zweite Naturstoff ist das Catechin und der dritte das Resveratrol.Catechin und Quercetin gehören zu den Flavonoiden, einer Gruppe von Pflanzeninhaltsstoffen, die als natürliche Antioxidationsmittel fungieren. Im menschlichen Organismus werden sie nicht gebildet, sondern müssen mit der Nahrung aufgenommen werden, um ihre Wirkung entfalten zu können — in ähnlicher Weise wie Vitamin E (Tocopherol) und Vitamin C (Ascorbinsäure).Resveratrol verringert die Neigung von Blutplättchen (Thrombozyten) zu verkleben und kann so helfen, Thrombose zu verhindern. Dieser Stoff steht bei gesundheitsbewussten Menschen besonders deshalb hoch im Kurs, weil er auch in vielen japanischen Naturheilmitteln enthalten ist.Darüber hinaus fand man als natürliche Inhaltsstoffe des Weins Salicylsäure, die eine ähnliche Wirkung wie Acetylsalicylsäure (Aspirin) besitzt und darüber hinaus als natürliches Konservierungsmittel wirkt, sowie 2,3- beziehungsweise 2,5-Dihydroxybenzoesäure, für die Ähnliches wie für die Salicylsäure gilt.Die genannten Stoffe treten in Rotwein in deutlich höherer Konzentration als in Weißwein auf. Sie bewirken im Blut zweierlei: eine Erhöhung der HDL (spezifisch schwere Lipoproteine), welche die Gefäßwände von fettartiger Stoffwechselschlacke befreien können, und eine Erniedrigung der LDL (Lipoproteine niedriger Dichte), welche die Entstehung von Arteriosklerose durch Lipidablagerungen (beispielsweise von Cholesterin) begünstigen.Tannine zum RelaxenBei den Tanninen handelt es sich um Gerbstoffe aus dem Eichenholz der Weinfässer. Diese sollen in erster Linie für ein besonderes Aroma und eine dunklere Färbung sorgen, haben aber außerdem gesundheitsfördernde Nebenwirkungen. Überraschenderweise treten Tannine aber nur bei Barrique-Rotweinen, nicht aber bei Barrique-Weißweinen auf. Tannine kommen in vielen Pflanzen vor, zum Beispiel in Eichenrinde und Tee, besonders aber in Galläpfeln, die sich auf Eichenblättern durch die Larven der Eichengallwespe bilden. Der Name Galle leitet sich vom gallebitteren Geschmack sowie von der Form dieser »Geschwüre« ab, die an die Gallenblase erinnert. Chemisch haben die Inhaltsstoffe der tierischen und der pflanzlichen Galle jedoch nichts gemeinsam.Pflanzengallen wurden schon von den Babyloniern und Assyrern zu Heil- und Gerbzwecken verwendet. Die Gerbwirkung der Tannine ist darauf zurückzuführen, dass sie Eiweiße intensiv koagulieren (gerinnen lassen). Da Tannine mit Schwermetallen schwer lösliche, dunkel gefärbte Niederschläge geben, werden sie als Beizmittel in der Textilfärberei und zur Tintenherstellung verwendet.Im Wein sind Tannine nur in so geringer Konzentration vorhanden, dass der Geschmack als angenehm empfunden wird und kaum eine Gerbwirkung auf die Schleimhäute zustande kommt.Die gesundheitsfördernde Wirkung der Tannine beruht darauf, dass sie die Muskulatur der Herzkranzgefäße erschlaffen lassen, sodass sich diese erweitern.Gift in deutschen Weinen?Nachdem Mitte 1995 Schreckensmeldungen über vergifteten Wein durch die deutsche Presse gegangen waren, wurden gründliche Untersuchungen angestellt, deren Ergebnisse aber im Wesentlichen einer Entwarnung gleichkamen. Wie sich herausstellte, kam die »Zeitungsente« durch einen missverstandenen Artikel einer Firma in einer Fachzeitschrift zustande, in dem Spezialgeräte für chemische Analytik vorgestellt wurden. Dabei wurde ein Experiment zur Demonstration der Leistungsfähigkeit der Geräte beschrieben, in dem eigens zu diesem Zweck mit geringen Fungizidmengen angereicherter Wein analysiert wurde. Die Verfasser der Falschmeldung verstanden den Text aber so, als ob sich das giftige Pilzvernichtungsmittel bereits von vornherein im Wein befunden hätte.Bei den daraufhin veranlassten Analysen deutscher Weine wurden zwar in der Tat in einigen Fällen Fungizide im Wein festgestellt, jedoch lagen die Gehalte bei verschwindend geringen Werten, weit unterhalb der zulässigen Höchstgrenzen.Es gibt aber noch weitere Giftstoffe, die in manchen Weinen auftreten und nachgewiesen wurden, zum Beispiel Insektizide und Mykotoxine. In einem Fall wurde ein im Rebbau eingesetztes und in den Wein verschlepptes Insektenvernichtungsmittel buchstäblich ruchbar, weil sich die Verbindung mit der Zeit in stark stinkende Folgeprodukte zersetzte. Mykotoxine stammen aus natürlichen Quellen: Sie werden von manchen Pilzen und speziell von Schimmelpilzen produziert. Es sind aber nichtsdestotrotz Gifte, die zu Nierenschäden, Immunschwäche und sogar Krebs führen können. Davon betroffen sind vorwiegend Weine aus südlichen Anbauländern.Ludwig Prokop: Lebenselixier Wein. Graz 1995.Klaus Jung: Wein - Genuß und Gesundheit. Mainz 21996.Prävention ernährungsabhängiger Erkrankungen, herausgegeben von Manfred J. Müller und Helmut F. Erbersdobler. Stuttgart 1996.Alkoholische Getränke und Ernährungsmedizin, bearbeitet von Reinhold Kluthe und Heinrich Kasper. Stuttgart 1998.Frank Jones:Mit Rotwein gegen Herzinfarkt. Aus dem Amerikanischen. Köln 51998.Renate Willkomm: Natürlich heilen mit Wein. Augsburg 1998.Rudolf Steurer: Gesundheit & Wein. Wien 2000.
Universal-Lexikon. 2012.